Faszien ziehen sich von der Oberfläche der Haut bis in die tiefen Zellen des Bindegewebes. Alles in unserem Körper ist durch eine Struktur von extrem flexiblen Faszien miteinander verbunden. Der normale Alterungsprozess, Fehlhaltungen, eine ungesunde Ernährung, Entzündungen, Verletzungen und degenerative Krankheiten setzen auch den Faszien zu. Dieses feine an sich so geschmeidige Gewebe kann verfilzen. Die Wassermoleküle kristallisieren sich aus wie Flüssighonig, der hart wird. Oft kannst du solche verhärteten Punkte oder verdickte Stellen, sogenannte myofasziale Triggerpunkte, mit den Händen ertasten. Die gute Nachricht: Faszien sind keine starr vorgegebene Masse, sie lassen sich verändern. Sie wollen auch verändert werden. Du kannst Faszien drücken, ziehen, kneten und dehnen. Das brauchen sie auch, um gesund zu bleiben. Auch für die Faszien heißt das Motto: „Use it or lose it”. Bewegung ist notwendig, um die Funktion der Faszien aufrecht zu erhalten. Mit Dehnung und Bewegung kannst du verklebtes fasziales Gewebe lösen. Du kannst folglich aktiv Schmerzen und degenerativen Prozessen entgegenwirken und deine Faszien mit Faszientraining geschmeidig halten.
Wenn du eine Orange durchschneidest, siehst du weiße Faserchen, die das Fruchtfleisch durchziehen. Genauso fein verästelt weben Faszien ein Netz durch den Körper. Wissenschaftler sprechen von einem „Fasziensystem”: „Alles ist durch eine Struktur von extrem flexiblen Faszien miteinander verbunden”, so Jean-Claude Gimberteau, „es gibt keine freien Räume”. Der französische Chirurg hat Faszien erstmals sichtbar gemacht und erklärt: „Faszien ziehen sich von der Oberfläche der Haut bis in die tiefen Zellen des Bindegewebes.”
„Die Faszien zu vergessen, wäre, als ob wir die Nerven vergessen. Es ist ein Organ.”
Carlo Stecco, Professorin für Anatomie in Padua
Grundsätzlich gilt: Es gibt keine falsche Bewegung, aber beim Faszientraining legst du einen neuen Fokus auf bestimmte Bewegungsabläufe. Manche Übung mag dir bekannt vorkommen, so wie das gute alte Seilspringen. Faszientraining erinnert mitunter auch an eine Mischung aus Yoga Flow und Kampfsport-Elementen, gepaart mit viel Achtsamkeit. Beim Faszientraining geht es darum, Faszien geschmeidig und gesund zu erhalten.
Das Faszientraining umfasst verschiedene Bereiche, die jeweils unterschiedlich auf die Faszien einwirken. Wir sprechen von vier verschiedenen Prinzipien:
Foam Rolling, die Selbstmassage mit einer Faszienrolle oder einem Faszienball ist wohl die bekannteste Form des Faszientrainings. Spricht man heute von Faszientraining, meinen die Meisten eigentlich nur diese eine Variante, die myofasziale Selbstmassage. Beim Training mit der BLACKROLL® werden gezielte Druckreize auf das Bindegewebe erzeugt. Wie bei einem Schwamm wird die Faszie ausgepresst, um sich anschließend wieder mit nährstoffreicher Flüssigkeit zu füllen. Darüber hinaus lassen sich Verklebungen und verfilztes Bindegewebe gezielt bearbeiten. Myofasziale Selbstmassage ist aber noch viel mehr. Zusätzlich zur großflächigen Massage mit Faszienrolle und Faszienbällen, unterscheiden wir noch die Triggerpunktmassage. Neuste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass tiefliegende Verklebungen (Fibrotisierungen) besonders in den Muskelsepten entstehen. Ein Septum ist die Bindewand zweier faszialen Schichten. Willst du ganzheitliche fasziale Gesundheit erlangen, müssen vor allem diese Bereiche gezielt bearbeitet werden. Das funktioniert mit punktuellem Druck bei gleichzeitigen Scherkräften. Du kennst das vielleicht vom Physiotherapeuten. Wenn dieser mit dem Daumen in das Gewebe drückt und gleichzeitig eine Extremität bewegt, macht er sich diese Trigger-Technik zu nutze. Mit unseren TRIGGER TOOLS kannst du dich aber auch selbst massieren.
Statt deine Muskeln isoliert und statisch zu dehnen, wie es die Lehrbücher früher empfohlen haben, hast du beim Faszien dehnen ganze Muskelketten im Blick. Also etwa nicht nur die Wade, sondern gleichzeitig das Gesäß, den Rücken bis nach oben zur Kopfhautfaszie. Hintergrund: Faszien mögen es, wenn sie in alle Richtungen bis zu ihrer Endposition gezogen werden. Diese langkettige dreidimensionale Fasziendehnung ähnelt übrigens sehr einer Katze, die sich nach ihrem Nickerchen räkelt und streckt auf ganz besondere Weise. Die Katze geht in eine Aufspannung und verlängert sich dabei innerlich aktiv: Sie schiebt die Pfoten aktiv gegen den Boden und verlängert sich nicht nur in diese Richtung, sie erfährt automatisch auch eine Gegenverlängerung im Rumpf und den Hinterbeinen. Übrigens: Ein herabschauender Hund im Yoga kommt dieser Position sehr nahe.
Im Bereich der Fasziendehnung unterscheiden wir zwischen zwei Unterkategorien:
Bei der aktiv geladenen Dehnung (Loaded Stretch) oder Muskellängentraining kommt es zu einem Kraftaufwand in der Dehnung. Auf diesem Reiz reagiert der Körper mit einem Muskellängenwachstum und wird flexibler.
Die schmelzende Dehnung (Melting Stretch) unterscheidet sich dahingehend, dass du die Muskulatur lockerlässt und Millimeter für Millimeter immer weiter in die Position hinein schmilzt. Im Gegensatz zum aktiven Muskellängentraining wird der Stretch hier deutlich länger gehalten. Diese Art des Dehnens wird zum Beispiel im Yin Yoga praktiziert.
Beide Techniken haben ihre Vorteile. Für eine ganzheitliche Faszien Gesundheit solltest du beides ausprobieren.
Warum können Kängurus so hoch und weit springen? Das liegt am Katapult-Effekt. Sie gehen vor dem Absprung in Vorspannung. Beim eigentlichen Springen entlädt sich, wie bei einer entsperrten Feder, die gespeicherte Muskelenergie (kinetische Energie). Der Hintergrund: Faszien können Bewegungsenergie speichern, die Muskeln selbst halten bei dieser Trainingsform isometrisch. Ein einfaches Beispiel für fasziale Elastizität ist Seilspringen. Dabei wird die Bewegungsenergie in den Achillessehnen gespeichert und sofort wieder in einen Absprung umgewandelt. Jenseits der Sprunggelenke kannst du fasziale Elastizität auch anwenden, dann kommen Gegen- und Pendelbewegung ins Spiel. Diese Übungen sind erstmals ungewohnt, die beteiligten Sehnen werden steifer. Deshalb: Zwei Mal die Woche mit nur wenigen Wiederholungen reicht am Anfang.
Über 100 Millionen Nervenenden befinden sich im faszialen Gewebe. Die höchste Dichte an Rezeptoren für die Körperwahrnehmung (Propriorezeption) sitzt folglich in der Gleitschicht zwischen den Muskeln. Sie hilft dir, dich im Raum zu orientieren. Koordinative Fähigkeiten sind eng mit dieser Form des Faszientrainings verbunden. Du unterstützt dein Training, indem du häufiger neue Impulse setzt. Das können instabile Untergründe (Wackelbretter, Kissen) sein oder auch neue Herausforderungen (geschlossene Augen, andere Winkel, komplexere Aufgaben). Bei allen vier Faszientrainingsformen ist es gut, wenn du in die Bewegung und deinen Körper hineinspürst. Bei Übungen zur Körperwahrnehmung ist neugieriges Ausprobieren angesagt.