Eigentlich wissen wir es bereits: Wir sitzen zu viel! Dabei soll Sitzen die Lebenserwartung sogar in stärkerem Ausmaß reduzieren als Rauchen. Laut einer 2008 in Australien durchgeführten Studie verringert jede Fernsehstunde die Lebenserwartung von über 25-Jährigen um 21,8 Minuten. Das Rauchen einer Zigarette kostet im Vergleich nur 11 Minuten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft körperliche Inaktivität als viertgrößte vermeidbare Todesursache ein. Jährlich sind es weltweit 3,2 Millionen Menschen, die an mangelnder Bewegung sterben.
Schließlich verbringt jeder fünfte Deutsche täglich mehr als neun Stunden auf dem Bürostuhl. Jeder neunte sogar etwa 11 Stunden. Eigentlich fängt es morgens schon an: Wir gehen unserer Lieblingsbeschäftigung nach. Wir sitzen. Erst einmal am Frühstückstisch. Und dann geht es gerade so weiter. Wir sitzen im Auto oder der Bahn, während wir zur Arbeit fahren. Dort sitzen wir die meiste Zeit im Büro. Und selbst in der Mittagspause, in der wir uns eigentlich ein bisschen bewegen könnten, tun wir was? Genau: Wir sitzen. Wir sitzen zu lange. Und abends, wenn wir dann nach einem langen Arbeitstag meist gestresst nach Hause kommen, ruhen wir uns am liebsten auf dem Sofa aus. Das Gemeine daran: Selbst, wenn wir uns abends noch zu einem Besuch im Fitnessstudio aufraffen, hilft das nicht, das lange Sitzen (am Arbeitsplatz) auszugleichen. Weil wir uns eben über den Tag verteilt, wesentlich mehr Zeit in einer schlechten, körperlich beeinträchtigenden Position befinden, als in einer optimalen.
Auf den ersten Blick wirkt Sitzen deutlich entspannender als Stehen. Aber hast du schon einmal bemerkt, dass du, wenn du dich länger als zwei Stunden nicht bewegt hast, damit beginnst, unruhig auf dem Stuhl hin- und her zu rutschen? Dich weniger gut konzentrieren kannst? Oder dass schlichtweg dein Nacken und Rücken schmerzen? Das sind alles Anzeichen dafür, dass es Zeit wird, deine Sitzhaltung immer mal wieder zu verändern bzw. aufzustehen. Langes Sitzen wirkt sich negativ auf den menschlichen Bewegungsapparat, das Gehirn sowie den Stoffwechsel aus.
Es ist gar nicht so leicht zu verstehen, warum das Sitzen nicht einfach nur eine harmlose Alltagsbelastung ist. Schließlich erkennt man die Folgen nicht auf den ersten Blick. Wenn wir uns in der typisch nach vorn gebeugten Position befinden, schieben wir auch unseren Kopf leicht nach vorn. Das Problem: Für jede 2,5 cm, die wir unseren Kopf so bewegen, muss unsere Halswirbelsäule einem zusätzlichen Druck von etwa 5 Kilogramm standhalten. Dazu kommt noch, dass sich unser Körper an die Belastung und die jeweilige Position, in der wir sitzen, anpasst. Vorausgesetzt, wir verändern sie über einen längeren Zeitraum nicht. Muskeln, Faszien, Sehnen und Bänder, genauso wie auch Knochen übernehmen die schlechte Haltung. Diese Strukturen formen eine Art Korsett um die Position sowie um deine Gelenke und die Wirbelsäule. Das führt nicht nur zu Bewegungseinschränkungen, Faszienverklebungen und Muskelbeschwerden, sondern erschwert dir später auch, wieder eine bessere Position einzunehmen.
Zu wenig Bewegung bringt aber neben den körperlich spürbaren, auch noch weitere Probleme mit sich: Unsere Psyche leidet. Sitzt du wöchentlich länger als 42 Stunden, kann dein Risiko für psychische Erkrankungen um 31% steigen. Fehlt die Bewegung im Alltag (ganz unabhängig ob im Arbeits- oder im Privatleben), sind wir vermehrt schlecht gelaunt, unmotiviert, schlapp und müde. Erwiesenermaßen führt dahingegen mehr Bewegung zu einem niedrigeren Stresslevel.
Wenn wir unseren Rücken am Schreibtisch nach vorne runden, schläft unsere Rumpfmuskulatur ein. Das schränkt die körperliche Leistungsfähigkeit ein und führt auf Dauer zu anhaltenden Spannungsungleichgewichten. Nacken-, Brust- und Schultermuskeln werden nach vorne fixiert und wir nutzen hauptsächlich nur noch unsere Faszien, Sehnen und Bänder, um halbwegs in Form zu bleiben. Auch das Zwerchfell wird eingeklemmt – eine effiziente Bauchatmung ist so nicht möglich, weshalb der Körper in Stress gerät und vermehrt Cortisol ausschüttet. Auch die Halswirbelsäule und der Nacken werden stark belastet, was unser Nervensystem reizt.
Die gegensätzliche – ebenfalls negative – Haltung zum Rundrücken erreichen wir, indem wir unser Becken zu weit nach vorne kippen, ins Hohlkreuz fallen und die Brust zu weit nach vorne schieben. In dieser Haltung drücken unsere Gelenkfortsätze der Wirbel am hinteren Ende (Richtung Rücken) auf die Facettengelenke. Das kann zu Rückenschmerzen am unteren Rücken und zu verkürzten Muskeln im Rückenbereich führen.
In dieser Position lehnen wir im Stehen hauptsächlich nur auf einem Bein oder sitzen nur auf einer Seite bzw. mit der Geldbörse in einer Gesäßtasche. Der Körper sucht nach einer stabilen Position, die er allerdings vermutlich bereits durch eine erlernte C-Form (Skoliose) oder eine Überstreckung verlernt hat. Die Folgen eines Hüftschiefstands sind vielfältig: Rückenschmerzen, Hüftschmerzen und Nackenverspannungen, eine verschlechterte Atmung oder degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der Faszienstruktur.